"Gegen eine 'Kachkéis a Bouneschlupp'-Mentalität", François Biltgen au sujet du Film Fund et du secteur de la production cinématographique au Luxembourg

Vesna Andonovic: Welches war der letzte Luxemburger Film, den Sie sich angesehen haben?

François Biltgen: "The Road Uphill", die Dokumentation über die Schleck-Brüder. Als zuständiger Minister versuche ich immer mir die Filme, die im Rennen für den Lëtzebuerger Filmpräis sind, anzusehen. Da ich abends nicht gerne unterwegs bin, und somit selten ins Kino gehe, ist meine tägliche Crosstrainer-Sitzung der ideale Zeitpunkt hierfür.

Vesna Andonovic: Unterscheidet sich dabei die Sichtweise des "Citizen" Biltgen von der des Ministers Biltgen?

François Biltgen: Nein, eigentlich nicht. Ich sehe mir die Filme stets als Zuschauer an, und erhebe nicht den Anspruch, als Minister zu bestimmen, welcher nun gut und welcher weniger gut ist. Jedoch muss auch ein Minister das Recht haben, die eine oder andere Produktion besser oder schlechter zu finden. Zudem gibt es ja auch Filme, die gut sind, aber vielleicht nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechen. Oft ist es aber glücklicherweise so, dass Filme deren Thematik mich anspricht, sowie beispielsweise "Illégal", auch gut inszeniert und umgesetzt sind.

Vesna Andonovic: Ein Filmfestival, wie das von Berlin oder Cannes, ist eine willkommene Plattform, um die nationale Produktion gebührend in Szene zu setzen. Oft werden solche Auftritte aber auch als kostspielig und unnütz kritisiert...

François Biltgen: Der Film Fund verfügt über einen spezifischen Budgetposten für solche internationale Auftritte. Luxemburg geht zwar nicht überall hin, doch es gibt Filmfestivals, wie die Berlinale oder Cannes, wo denen es einfach wichtig ist, anwesend zu sein. Es geht letztlich nicht nur um die Filme, die dort gezeigt werden, sondern um die Gelegenheit für die Luxemburger Filmschaffenden, die unerlässlichen internationalen Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Deshalb sind solche Initiativen wie der Empfang der Luxemburger Botschafterin wesentlich und auch deshalb versuche ich, stets persönlich dort anwesend zu sein. In solchem Rahmen wird oftmals der Grundstein für zukünftige Zusammenarbeiten gesetzt. Zudem sind Berlin oder Cannes für mich als Minister hervorragende Gelegenheiten, um die versammelten Luxemburger Filmschaffenden zum Gedankenaustausch und zu einer Bestandsaufnahme zu treffen.

Vesna Andonovic: Es spielt also keine Rolle, ob Luxemburger Filme in der offiziellen Auswahl, gar im Wettbewerb eines Festivals laufen?

François Biltgen: Nein, in dem Sinne nicht. Natürlich ist dies umso erfreulicher, es ist jedoch nicht ausschlaggebend. Ein Festival ist wichtig für das Networking des Filmschaffenden und wegen der parallel laufenden Märkte, um Filme in den Vertrieb zu bekommen. Zu den Missionen des Film Fund gehört bekanntlich ja auch die Förderung des Luxemburger Films, und dazu gehört eine Präsenz bei ausgewählten Filmfestivals.

Vesna Andonovic: Um ein international vollwertig genommenes Filmland zu sein, genügt es nicht, als Produktionspartner Gelder und Techniker zuzuliefern, man muss auch eine eigenständige Filmproduktion aufbauen. Wie sehen Sie hier die Entwicklung?

François Biltgen: Wir brauchen Co-Produktionen, weil sie eine gewisse Marktstabilität garantieren, müssen jedoch gleichzeitig versuchen, immer mehr Luxemburger Elemente mit einzubringen. Vor einem Jahr haben wir das 20. Jubiläum des Film Fund gefeiert. In dieser Zeit haben wir in der kleinen, europäischen Filmwelt den Standort Luxemburg auf die Landkarte gesetzt. Luxemburger Themen, Regisseure, Schauspieler und Techniker sollen definitiv ihren Platz haben, ich bin jedoch gegen eine "Kachkéis a Bouneschlupp"-Mentalität. Ich stelle einen klaren filmischen Qualitätsanspruch an Produktionen: Es darf nicht sein, dass ein Film "gut" ist, nur weil er luxemburgisch ist auch wir müssen uns internationalen Qualitätsstandards stellen können. Dass sich in Luxemburg überhaupt filmische Qualität entwickeln konnte, hat auch maßgeblich mit internationalen Zusammenarbeiten zu tun. Hinzu könnte man weitere Beobachtungen fügen: Selbst die größten Box-Office-Erfolge von Luxemburger Filmen liegen deutlich unter 10000 Zuschauer; das Genre des Dokumentarfilms scheint hierzulande auf großes Interesse zu stoßen ... Auf diesen Betrachtungen müssen wir aufbauen, stets mit der Qualität als Messlatte. Bei der Stuhlwahl ist für viele das Polster und das Muster ausschlaggebend, dabei sind, meiner Meinung nach die vier Beine ebenso, gar noch wichtiger. Für den "Roud-Wäiss-Blo"-Filmsessel würde ich mir wünschen, dass diese Standbeine Qualität - auf allen Ebenen -, Internationalität durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit -, Vertrieb und Innovation - durch Regie- und Schauspielnachwuchs - sind.

Vesna Andonovic: Oft wird bemängelt, dass es hierzulande eher a soliden Inhalten hapert...

François Biltgen: Auch hier versuchen wir, Abhilfe zu schaffen, indem man - da oft die Geschichte bemängelt wird - beispielsweise Drehbuchautoren mehr Zeit gibt: Bei Co-Produktionen wird oftmals jahrelang an einem Drehbuch gefeilt. Man könnte sich so zudem u. a. einen BTS im Bereich Drehbuch vorstellen. In unseren Nachbarländern spielt die ständige Drehbuchnachfrage einer produzierenden Fernsehindustrie eine ausschlaggebende Rolle - das haben wir in Luxemburg nicht so und war einer der Gründe, weshalb wir der Idee einer Luxemburger Sit-Com zugestimmt haben. Man kann nicht einfach so einen Luxemburger Film, der nicht nur Preise ergattern, sondern auch noch international zum Blockbuster werden würde, einfach so aus dem Ärmel schütteln. Doch darauf gilt es hinzuarbeiten.

Vesna Andonovic: Vor geraumer Zeit gab es ein Treffen mit den im Sektor Beschäftigten. Welche Folgen sind daraus entstanden?

François Biltgen: Erst einmal das Punktesystem, das es uns in Zukunft ermöglichen wird, leichter und so auch besser an den unterschiedlichen "Schrauben" zwecks Feineinstellung drehen zu können. Früher musste im Großherzogtum gedreht werden, mir ist wichtiger, vermehrt Luxemburger Elemente einzuflechten und - warum nicht - z. B. bei den Schauspielern stärker auf die Verpflichtung des Nachwuchses in Nebenrollen zu setzen. Zum Zweiten reicht es nicht, dass der Film Fund da ist, um Filmkosten zu decken, wir müssen uns vermehrt darum bemühen, dass ein Film sein Publikum findet.

Vesna Andonovic: Können Sie uns Details zur anstehenden Reform geben?

François Biltgen: Nur so viel: Ein Gesetzentwurf wird derzeit ausgearbeitet, damit er vor der Sommerpause dem Parlament vorgelegt werden kann - mit dem Ziel, dass das Gesetz im nächsten Jahr in Kraft tritt. Ein Ausstieg aus den Ciaves steht bevor, ebenso wie eine Neuaufstellung des Film Fund, was Inhalte und Governanz anbelangt. Mir ist nicht nur die Frage der Förderung und des Vertriebs, sondern ebenfalls die der Governanz sehr wichtig: Eine Institution wie der Film Fund muss unabhängig von jeglichen politischen Einflüssen arbeiten können.

Vesna Andonovic: Die Idee, hierzulande Studios zu bauen, spukt schon seit geraumer Zeit durch die Köpfe...

François Biltgen: Es gibt ja bereits Studios, nur keine zentralen. Letzteres würde nur funktionieren, wenn alle Produzenten dies auch wollten. Es ist aber sicherlich nicht die Rolle des Staates, ein Studio zu bauen. Die Filmstudio-Idee entstand durch eine leerstehende, ehemalige Arbed-Halle in Düdelingen, in der die Produzentenvereinigung ULPA eine Möglichkeit sah, Studios einzurichten. Dies ginge jedoch nur als gemeinschaftliches Projekt der ULPA, der Stadt Düdelingen und des Staates. Wie es hier weitergeht, kann ich derzeit nicht abschätzen.

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